Am 1. Juli 2025 fand in der Kreisvolkshochschule Gifhorn im Rahmen der Pride Weeks zum CSD Gifhorn eine Diskussionsveranstaltung unter dem Leitmotiv „Gesellschaft im Wandel: konservativ oder
vielfältig?“ statt, die mit rund 25 Gästen sehr gut besucht war.
Zu Beginn wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer eingeladen, den gesellschaftlichen Wandel im Landkreis Gifhorn der letzten zehn Jahre in einem Satz zu skizzieren – die Stimmungsbilder reichten von „mehr Offenheit und gegenseitigem Respekt“ bis hin zu „trotz Fortschritten noch zu vielen Rückzugsräumen“.
Anschließend diskutierten vier Expert:innen aus Kirche (Martin Wraßmann, Caritas), Gleichstellungsbüro (Verena Maibaum, Landkreis Gifhorn), queerer Initiative (Dominik Ruder, Queeres Netzwerk Gifhorn e.V.) und Inklusion (Hajo Hoffmann, Behindertenbeirat im Landkreis Gifhorn e.V.) über Offenheit und Rückzug, Gleichstellungsfortschritte und -rückschritte, die Sichtbarkeit queeren Lebens sowie unsichtbare Barrieren für Menschen mit Behinderung.
Dabei berichtete Martin Wrasmann, dass die Kirche inzwischen eher positiv auf Vielfalt zugehe, aber traditionelle Strukturen noch verändert werden müssten; Verana Maibaum stellte fest, dass gesetzliche Gleichstellung zwar vorankomme, sich im Alltag aber immer wieder Rückschritte zeigten; Dominik Ruder beobachtete eine wachsende Sichtbarkeit besonders unter jungen Menschen, klagte jedoch über weiterhin vorhandene Ablehnung; und Hajo Hoffmann machte deutlich, dass fehlende Barrierefreiheit und stereotype Einstellungen für Menschen mit Behinderung nach wie vor große Hindernisse darstellen.
Im zweiten Teil der Veranstaltung richtete sich die Frage „Wo sehen Sie in Ihrer Arbeit konservative Tendenzen – und wo ist konservatives Denken vielleicht auch sinnvoll?“ an alle Referierenden. Wrasmann verwies darauf, dass christliche Werte wie Nächstenliebe und Toleranz eine wichtige Brücke zur Diversität schlagen können, während Maibaum betonte, dass die größten Mauern häufig im Kopf errichtet werden und politisches wie gesellschaftliches Umdenken erfordern. Ruder warnte eindringlich vor möglichen Rückschritten bei queeren Rechten in Zeiten zunehmender Polarisierung, und Hoffmann appellierte, Menschen mit Behinderung endlich als Expert:innen ihrer eigenen Lebenssituationen ernst zu nehmen, um Vorurteile abzubauen.
In der abschließenden Podiumsrunde kristallisierten die Expert:innen heraus, dass Vielfalt für den Landkreis Gifhorn vor allem Innovationskraft und Lebensqualität bringt, und benannten als größte Herausforderungen den Abbau struktureller Hemmnisse, eine bessere Vernetzung lokaler Initiativen sowie mutigeres politisches Handeln. Konkret wurden eine dauerhafte Anlaufstelle für Interessenvertretungen, gezielte Fortbildungsangebote für Verwaltung und Schulen sowie eine kontinuierliche Förderung bürgerschaftlichen Engagements gefordert.
Den krönenden Abschluss bildete eine interaktive Publikumsphase: Über Kartenabfragen und Klebepunkte konnten alle Anwesenden ihre Impulse einbringen. Dabei zeigte sich deutlich, dass Generationenkonflikte spürbar sind, aber gleichzeitig ein starker gemeinsamer Wille besteht, weiter an einer bunten und vielfältigen Gesellschaft zu arbeiten. Dieser sehr lebhafte und progressive Abend hat einmal mehr verdeutlicht, wie viel noch zu tun bleibt, damit alle Menschen im Landkreis Gifhorn frei und selbstbestimmt leben können. Wir danken der Kreisvolkshochschule Gifhorn herzlich für die hervorragende Kooperation und allen Mitwirkenden und Gästen für einen inspirierenden und erkenntnisreichen Austausch.